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Nadine Wagner-Rumpf

Warum weinen Babys?


Das Schreien und Weinen von Babys kann bei Eltern und anderen Pflegepersonen mitunter heftige Gefühle auslösen. Vor allem dann, wenn das Schreien keinen offensichtlichen Grund oder kein offensichtliches Bedürfnis erahnen lässt. Eltern fühlen sich dann oft wie "mit dem Rücken zur Wand", bedrängt und in großer Not.


Laut einer Studie beschrieben frisch gebackene Mütter (über die Väter liegen mir leider keine Daten vor) Gefühle der Ohnmacht, Überforderung, Angst, Sorge, Unzufriedenheit, Erschöpfung, Verwirrung bis hin zu Rachsucht und Feindseligkeit, wenn sie ihr schreiendes Baby nicht beruhigen konnten. (Vgl. Jones, 1983)


"Früher" wurden Babys oft alleine schreien gelassen, in dem Glauben das kräftige die Lungen. Diesem Mythos zu folgen ist zum Glück nicht mehr üblich, denn diese Herangehensweise ist für die Gesundheit und Entwicklung des Neugeborenen eher schädigend als förderlich. Dazu aber mehr in einem anderen Blog Beitrag.


In vielen Eltern-Handbüchern wird das Thema Babyschreien kontrovers betrachtet. Die meisten gehen davon aus, dass kindliches Schreien unerwünscht sei und raten zu Beruhigungs- und Besänftigungsstrategien. Alles sei erfolgreich, was das Weinen st

oppe. (Vgl. Kirkland, 1985)


Darf ein Baby also nie weinen?

Doch, aber nicht allein.


Schon 1984 betont Solter, dass das begleitet Weinen eine Minderung des Stresslevels im Körper des Babys bewirken kann. (Vgl. Solter,1984)


Mit Emotionen die wir als "negativ" empfinden tun wir uns in der heutigen Gesellschaft generell schwer. Vor allem wenn wir frisch gebackene Eltern sind, uns unsicher in der neuen Rolle fühlen und übermüdet sind. Zudem beschäftig uns die Sorge warum das Baby jetzt gerade oder oft sehr lange weint.


Wenn wir Babyweinen als Teil der Babysprache begreifen lernen, können wir anfangen zu verstehen, was uns unser Baby mitteilen möchte. Denn Babys können sich nur durch Körperbewegungen, Spannung, Entspannung, Mimik, sowie Lachen und eben Weinen oder auch Tönen ausdrücken.


 

Welche Gründe gibt es für das Babyweinen?


Bei einem gesunden Baby, das medizinisch abgeklärt wurde und Erkrankungen (z.B. Allergien auf Kuhmilch, verschobene Wirbel ...) ausgeschlossen wurden, können wir drei Arten von Babyweinen unterscheiden:



1. Bedürfnisweinen


Babys weinen bekanntlich bei Unwohlsein und Kommunizieren ihre Bedürfnisse. Daran denken wir häufig als erstes wenn ein Baby weint.


- Hat es Hunger?

- Ist ihm zu kalt oder heiß?

- Ist es müde?

- Gibt es gerade zu viele Reize?

- Braucht es Körpernähe und Gehaltenwerden?

- Braucht es eine Lageveränderung?

- Braucht es Ruhe zum Verarbeiten?


Wenn ein Baby durch sein Schreien Bedürfnisse ausdrückt ist die Pflegeperson dafür verantwortlich diese möglichst zeitnah und feinfühlig zu erfüllen.

Sollten Sie sich nicht im Stande dazu fühlen, lesen sie bitte den Blog Beitrag "Woran erkenne ich, dass ich Hilfe brauche?" oder kontaktieren Sie mich direkt.



2. Erinnerungsweinen


Erinnerungsweinen ist eine Form des Weinens, dass sehr plötzlich kommen kann und in der Intensität sehr heftig von Eltern wahrgenommen wird.


Die Gründe dafür können vielfältig sein und stehen sehr häufig mit belastenden Erfahrungen in Zusammenhang, die das Baby in seinem jungen Leben bereits erlebt hat. Das können unter anderem Stress in der Schwangerschaft, eine schwierige Geburtserfahrung, Trennungserfahrungen in den ersten Lebenstagen oder Wochen gewesen sein. All das ist im Körpergedächtnis und Nervensystem des Neugeborenen gespeichert und kann durch kleine Auslöser (Gerüche, Berührungen an einer Körperstelle des Babys an der es vl. im Geburtskanal gesteckt ist uvm.) angetriggert werden und das Baby erlebt die damalige Situation von neuem und drückt dies oft mit intensivem Schreien aus.


Die Auslöser sind vielleicht nicht offensichtlich und das löst manchmal ein Gefühl des Unverständnisses hervor und wir fragen uns warum das Baby plötzlich so intensiv weint, obwohl es gar nicht zum Hier-und-Jetzt passt.


Hier möchte ich anmerken, dass Erfahrungen sehr subjektiv sind. Wie auch wir Erwachsenen reagieren Babys unterschiedlich auf Situationen. So ist es möglich, dass für ein Baby das lange Stecken im Geburtskanal als bedrohlich erlebt wird und und es sein Erlebnis erzählen und somit verarbeiten möchte und ein anderes Baby empfindet das anders.

Es ist auch möglich, dass ein Baby auf einen Notkaiserschnitt nicht gestresst reagieret

Mehr dazu lesen Sie in einem anderen Blogbeitrag.



3. Resonanzweinen


Babys haben unglaublich feine Antennen um ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie nehmen gestresste Personen, Unruhe, Spannungen zwischen Familienmitgliedern, unterdrückten Ärger, den wir Erwachsenen noch gar nicht wahrnehmen, sehr stark wahr.


So kann es sein, dass das Weinen des Babys ein Ausdruck von viel Spannung in ihrer unmittelbaren Umgebung ist.


 

Die letzten zwei Punkte führen uns zu einem sehr wichtigen Aspekt des Weinens:


Dem Stresslösungs - Mechanismus



Durch Schreien und Weinen gelingt es Babys ganz offensichtlich Schmerzen und Anspannungen zu lindern und körperlichen sowie emotionalen Stress und Traumata zu verarbeiten. Der Prozess des begleiteten!!! Schreiens und Weinens erlaubt es den Stress zu entladen und ist somit ein wichtiges Ventil um Anspannungen im Körper zu lösen und ist keineswegs schädlich. (Solter, 1984)

Magda Gerber schrieb dazu: "Respektieren Sie das Recht des Kindes seine Gefühle auszudrücken..." (Gerber, 1979)


Der Biochemiker Dr. William Frey, dessen Spezialgebiet Tränen sind, entdeckte Stoffe in Tränen, die auch im Körper gefunden werden, wenn er in Stress gerät. Nach dem Ende des Stresses würde das weitere Fortbestehen dieser Substanzen im Körper unnötige Anspannungszustände erhalten. Er schließt aus seiner Forschung, dass Tränen die Überreste dieser Stoffe aus dem Körper spülen, sodass sich ein Entspannungszustand einstellen und das chemische Gleichgewicht im Körper wieder hergestellt werden kann.


Es gibt zahlreiche Studien, die belegen dass Weinen eine entlastende und entspannende Wirkung hat. (Karli, Corriere & Hart, 1973; Woldenberg et.al., 1970)

Zudem nimmt Dr. Frey aufgrund seiner Forschung an, dass unterdrückte Tränen zu einer erhöhten Anfälligkeit für körperliche und psychische Probleme führt. (Vgl. Frey & Langseth, 1985)

Eine andere Studie zeigt, dass gesunde Menschen signifikant mehr weinen und eine positivere Haltung zum Weinen haben. (Vgl. Crepeau, 1980)


In der Erwachsenenwelt wird es (zum Glück) immer populärer, in Kontakt mit den eigenen Gefühlen zu treten und sie wortwörtlich fließen zu lassen. Auch in Form von Tränen.


Warum gestehen wir das unseren Babys nicht zu?

Jede*r empfindet Stress unterschiedlich und auch Babys haben ein Recht auf ihre Empfindungen und darauf sich (mit Begleitung ihrer Bezugspersonen) zu regulieren.


 

Was kann ich nun tun, wenn mein Baby untröstlich weint oder exzessiv schreit?


"Soll ich schauen, dass mein Baby gar nicht erst zum Weinen kommt?

Ich kann doch nicht alle Trigger erkennen und diese vorsorglich meiden!

Ich kann doch nicht immer schauen, dass alles rundum in Harmonie ist!"

- Nein, natürlich nicht.


"Weglegen soll man es nicht und das Schreien stoppen nun auch nicht? "

- Was also tun?


Es ist oft leichter gesagt als getan, aber manchmal ist es auch leichter als man denkt:


Es geht darum, das Baby und sein Weinen einfühlsam zu BEGLEITEN und zu versuchen zu verstehen was es uns erzählen will, mit Körperkontakt und einem regulierten Nervensystem. In der Fachsprache nennt man das Co-Regulation. Mehr dazu erfährst du in meinem nächsten Blogbeitrag.




Dieser Beitrag ist inspiriert von Inhalten aus Seminaren von Dipl. Psychologen Thomas Harms, meiner Erfahrung in der Eltern-Baby-Begleitung, sowie einem Artikel von Aletha Solters aus dem Buch: "Auf die Welt gekommen. Die neuen Babytherapien" (Hg. Thomas Harms).




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